In einem faszinierenden Interview spricht die dänische Autorin Emma Holten über die Bedeutung der Fürsorge als tragenden Pfeiler eines funktionierenden Wirtschaftssystems. Sie beleuchtet, warum unbezahlte Care-Arbeit trotz ihrer enormen Bedeutung oft nicht den gebührenden Respekt erfährt und welche Auswirkungen dies auf die Gesellschaft hat. Holten argumentiert, dass das traditionelle Wirtschaftsverständnis viele wertvolle Aspekte des Lebens außer Acht lässt.
Holten betont den zentralen Platz der Fürsorge im Wirtschaftssystem und kritisiert gleichzeitig deren mangelnde Anerkennung. Darüber hinaus erklärt sie, warum das aktuelle System einen verzerrten Blick auf Produktivität und Wertschöpfung vermittelt und wie dies zu Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern führt.
Emma Holten stellt klar, dass Fürsorge ein wesentlicher Bestandteil jeder funktionierenden Gesellschaft ist. Trotz ihrer entscheidenden Bedeutung wird diese Arbeit jedoch häufig unterbewertet und schlecht bezahlt. Viele Frauen tragen die Hauptlast dieser Verantwortung, was zu signifikanten wirtschaftlichen Nachteilen für sie führt.
Die Care-Arbeit bildet die Basis für alles andere in der Wirtschaft. Ohne sie könnten viele andere Berufe nicht ausgeübt werden. Holten beschreibt eindringlich, wie eine hypothetische Streikaktion bei der Fürsorge-Arbeit katastrophale Konsequenzen für die Gesellschaft haben würde. Sie verweist auf ein Beispiel aus Mexiko, wo genau solch ein Streik stattfand und dramatische Auswirkungen hatte. In Deutschland sollte man sich ähnlich bewusst machen, wie wichtig diese Arbeiten tatsächlich sind. Die sogenannte „Motherhood-Penalty“ in Deutschland zeigt dramatisch, wie stark Frauen wirtschaftlich benachteiligt werden, sobald sie Kinder haben. Ihr Einkommen sinkt um bis zu 60 Prozent nach der Geburt ihres ersten Kindes. Dies verdeutlicht, dass das heutige Wirtschaftssystem nicht angemessen berücksichtigt, wie viel Zeit und Energie Frauen in unbezahlte Care-Arbeit investieren.
Holten fordert eine Neubewertung dessen, was wir als wertvoll ansehen. Sie argumentiert, dass viele Dinge, die unser Leben bereichern, keinen Preis haben und daher im traditionellen Wirtschaftsmodell nicht erfasst werden. Dies führt zu einer unvollständigen Sichtweise auf Produktivität und Erfolg.
Sie vergleicht die Situation mit natürlichen Ressourcen, die ebenfalls ihren Wert verlieren, wenn sie nur durch monetäre Maßstäbe gemessen werden. Holten plädiert dafür, weniger auf Zahlen und Statistiken zu achten und stattdessen mehr auf die tatsächlichen Bedürfnisse und Aktivitäten der Menschen zu fokussieren. Der Begriff des BIP wird hierbei kritisch betrachtet, da er nur kurzfristige ökonomische Indikatoren berücksichtigt und langfristige Auswirkungen außer Acht lässt. Holten betont auch die Verbindung zwischen Identitätspolitik und Wirtschaftspolitik. Sie zeigt, wie geschlechtsspezifische Erwartungen und Vorurteile die Wertschätzung von Care-Arbeit beeinflussen. Frauen, die keine Kinder haben, erleiden ebenfalls soziale Stigmatisierung, obwohl Statistiken zeigen, dass sie tendenziell glücklicher sind. Holten schließt mit der Überlegung, dass Fürsorge nicht nur eine Last, sondern auch eine Quelle von Freude sein kann, die momentan vielen Männern vorenthalten bleibt.